GT-F Präsentation. © 28.02.2025 André Werske

GT-F: Design-Agentur büro+staubach, Berlin.

Stadtbahnwagen GT-F

18 neue Stadtbahnzüge für Würzburg bestellt

Der Fuhrpark der Würzburger Straßenbahn ist inzwischen in die Jahre gekommen. Die neueste Fahrzeuggeneration bilden die 20 GT-N von 1996.[1] 14 Stadtbahnwagen vom Typ GT-E wurden ab Ende 1989 in Betrieb genommen.[2] Und die verbliebenen 6 Duewag-Straßenbahnen der Baureihe GT-D stammen noch aus den Sechziger- und Siebzigerjahren.[3] Zwar verkehren alle Züge nach wie vor sehr zuverlässig, doch die Beschaffung von Ersatzteilen wird mit zunehmendem Alter der Fahrzeuge immer problematischer. Außerdem entsprechen die ganz alten Strabas nicht mehr den Anforderungen an einen komfortablen und barrierefreien Stadtbahnverkehr. Deshalb war eine Bestellung von Neufahrzeugen unumgänglich.

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Fertigung bei Heiterblick

GT-F als Modell von Heiterblick auf der InnoTrans 2024 in Berlin. © 24.09.2024 André Werske.
GT-F als Modell von Heiterblick auf der InnoTrans 2024 in Berlin. © 24.09.2024 André Werske.

Im Januar 2018 gab der Stadtrat grünes Licht für die Beschaffung von neuen Stadtbahnzügen.[4] Im November startete die WSB eine EU-weite Ausschreibung von 18 Niederflur-Einrichtungs-Straßenbahngelenktriebwagen.[5] Die Wahl fiel auf den in Leipzig ansässigen Straßenbahnhersteller Heiterblick GmbH. Dessen Fokus liegt auf Spezialanfertigungen. Maßgeschneiderte Fahrzeugkonzepte werden individuell nach Einsatzzweck entwickelt und die Sonderfahrzeuge anschließend in Leipzig produziert.[6] Die elektrische Ausrüstung liefert Voith Digital Solutions Austria aus St. Pölten. Für den mechanischen Teil inklusive der Drehgestelle sowie die Fertigung ist Heiterblick zuständig.[7] Am 9. Dezember 2019 unterzeichnete die WVV einen Vertrag zur Herstellung von 18 Niederflurzügen.[8][9] Was die Herstellungskosten der neuen Bahnen betrifft, gibt es deutlich verschiedene Angaben: 65 Millionen Euro[8], 80 Millionen Euro (inklusive einer Ersatzteilvorhaltung für 30 Jahre – 11 Millionen Euro würde der Freistaat Bayern beitragen[10]), 99 Millionen Euro[11] und 135 Millionen Euro (7,5 Millionen Euro pro Fahrzeug).[12]

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Die Technische Ausrüstung des GT-F

Antrieb

Die 18 Stadtbahnwagen bekommen die Typbezeichnung GT-F – das F hat keine Bedeutung[13], sondern folgt auf GT-D und GT-E – und werden die Betriebsnummern 215 bis 232 erhalten.[12] Wegen den engen Bogenradien im Netz der Würzburger Straßenbahn entschied man sich für 5-teilige Fahrzeuge, die 36 Meter lang und 2,40 Meter breit sind. Der minimalste Gleisradius liegt bei lediglich 17,5 Metern.[14] Um die 1,6 Kilometer lange Steilstrecke zwischen den Stadtteilen Heidingsfeld und Heuchelhof jederzeit mühelos bewältigen zu können, sind alle Achsen motorisiert. Zur Gesamtmotorleistung des GT-F liegen unterschiedliche Angaben vor: 800 kW (Heiterblick[14]), 760 kW (WVV[15]) bzw. 680 kW (WVV[16] sowie in Zeitschrift „Regionalverkehr“[7]). Ein GT-F besitzt an den beiden Enden des Zuges je ein Drehgestell, damit die Bahnen sanft und gleisschonend durch enge Bögen fahren können. Daher ist im Innenraum der Fußboden in diesen Bereichen höher als in den übrigen des Fahrzeugs. Die beiden Fahrwerke in den Abschnitten zwei und vier sind feste Fahrwerke, sodass dort der Fußboden niedrig bleiben konnte. Die in den Zug hineinragenden Räder werden mit Podesten verdeckt, auf denen Sitze montiert sind. Die meterspurige Gleisanlage bedingt, dass der Durchgang zwischen den Podesten recht schmal ausfällt, ähnlich wie in den Bahnen vom Typ GT-N. Der Abschnitt in der Mitte ist ohne Räder.[7]

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Barrierefreier Zustieg

Ein GT-F bietet über vier doppelflügelige Schwenktüren einen barrierefreien Ein- und Ausstieg. Dabei gilt zu beachten, dass sich diese erstmals nicht an den Enden des Fahrzeuges befinden. Die Fahrgäste müssen daher, von vorne oder hinten kommend, erst etwas am Fahrzeug entlang laufen, um die Türen zu erreichen. Das liegt zum einen an den Drehgestellen, über denen kein barrierefreier Zugang möglich wäre, zum anderen hat der Fahrer nun seine eigene Außentüre. Diese Anordnung hat den Vorteil, dass beispielsweise an kurzen Haltestelle Reuterstraße die Bordsteine lang genug sind, um barrierefrei in die Bahnen zu gelangen, obwohl die GT-F mit 36 Metern Länge nur knapp in die Haltestelle passen.

Das Design der GT-F

Für das moderne und dennoch zeitlose Design der GT-F-Züge ist die Berliner Design-Agentur büro+staubach verantwortlich. Mit weltweit über 40 realisierten Fahrzeugprojekten zählt büro+staubach zu den international renommierten Agenturen in diesem Bereich.[17] So gestaltete sie unter anderem die Fahrzeuge der Wuppertaler Schwebebahn oder die HF6 der Rheinbahn in Düsseldorf.[7][18] Die Würzburger GT-F wirken durch die hohe, schwarze Front und die abgeschrägten Seitenwände an den Enden der Bahn sehr schlank. Das „Gesicht“ der Bahn hat unten eine Art „Kinn“: Dieser Knick nach vorn schützt im Gefahrenfall Personen oder Tiere, die angefahren werden, sodass sie nicht unter die Bahn rutschen. Bei einem Aufprall kann zudem die Kollisionsenergie absorbiert werden. Außerdem wird das Aufklettern auf das Fahrzeug erschwert. Dadurch soll eine kollisionsbedingte Entgleisung verhindert werden.[13] Die Stadtbahnwagen haben eine Höhe von 3650 mm. Der Dachgarten ist verschalt, sodass Gerätecontainer auf dem Dach endlich nicht mehr aus der Wagensilhouette unschön herausragen, wie es bei den GT-N der Fall ist.

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Der Fahrgastbereich im GT-F

Barrierefreiheit

Obwohl der Fußboden nicht durchgängig niederflurig ist, laufen die GT-F dennoch unter der Kategorie „Niederflurfahrzeug“. Die Fußbodenhöhe variiert zwischen 360 mm über Schienenoberkante (SO) in den Niederflurbereichen und 660 mm über SO über den Drehgestellen.[14] Auch diese Angaben variieren wieder in der Fachliteratur. In den Multifunktionsbereichen ist der Boden 310 mm über SO mit einem Anstieg auf 360 mm in der mittleren Sektion. Über den Fahrwerken und Drehgestellen soll der Boden schließlich eine Höhe von 640 mm haben.[7] An den Türen senkt sich der Boden auf 250 mm über SO ab.[7][16] Damit ist die Einstiegshöhe 50 mm niedriger als bei den GT-N-Fahrzeugen[1], also mit noch weniger Höhendifferenz zu den Bahnsteigen. Fahrer von Rollstühlen mit kleinen Raddurchmessern brauchen dementsprechend keine ausklappbaren Rampen mehr, um selbstständig an Bord zu kommen.[19] In keiner anderen Baureihe der WSB ist so viel Platz für Rollstuhlfahrer, Kinderwagen oder sperriges Gepäck. Die vier gekennzeichneten Rollstuhl-Abstellplätze haben nun sogar eine gepolsterte Lehne, damit sie bei Notbremsungen nicht umkippen können.[20]

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Das Platzangebot im GT-F

Das Platzangebot im GT-F unterscheidet sich je nach Literaturquelle: Heiterblick gibt 76 Sitzplätze, 6 Klappsitze und 147 Stehplätze an[14], die Würzburger Straßenbahn – korrekt – 74 Sitzplätze, 4 Klappsitze und 146 Stehplätze.[16] Ein 32,6 Meter langer GT-E fasst 268 Fahrgäste[21], ein 28,8 Meter langer GT-N 154[22] und ein 36 Meter langer GT-F 220 Fahrgäste.[16] Erstmals sind große TFT-Deckenmonitore für ein modernes Fahrgastinformationssystem installiert. An einigen Sitzplätzen sowie an den Rollstuhl-Abstellplätzen stehen USB-Ladebuchsen zur Verfügung. Fahrgäste können dort ihre mobilen Geräte mit Strom versorgen. Im ganzen Zug ist WLAN verfügbar. Mindestens zwei Features aus der finnischen Straßenbahn, die im Oktober 2014 Testfahrten absolvierte, sind im GT-F wiederzufinden: Versetzte Sitze ermöglichen mehr Schulterfreiheit zum Sitznachbarn, und der Fahrgastraum ist voll klimatisiert.[16]

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Der Fahrerarbeitsplatz im GT-F

Nicht nur die Fahrgäste können sich über die enormen Fortschritte freuen, die die Technik und der Komfort in den letzten Jahrzehnten gemacht hat; auch die Fahrer:innen profitieren von einem völlig neu gestalteten Arbeitsplatz. Dieser ist komplett vom Fahrgastbereich getrennt. So kann er oder sie sich ohne Ablenkung auf den Verkehr konzentrieren. Spiegel gehören der Vergangenheit an. An ihrer statt zeichnen Kameras links und rechts vom Fahrzeug das Geschehen auf und übertragen es an insgesamt drei Flachbildschirme links und rechts der Frontscheibe. Endlich haben die Fahrer:innen ihre eigene Außentüre. Vorbei sind die Zeiten, in denen im Winter die Kälte durch die geöffnete Fahrgasttüre an den Fahrerarbeitsplatz kriecht. Moderne Informationssysteme unterstützen den Fahrer bzw. die Fahrerin beim Aufrüsten des Fahrzeugs sowie bei Störungen.[20]

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Anlieferung und Inbetriebnahme der GT-F-Züge

GT-F wird am Heuchelhof auf die Gleise gesetzt. © 17.12.2024 WVV/WSB.
GT-F wird am Heuchelhof auf die Gleise gesetzt. © 17.12.2024 WVV/WSB.

Im Dezember 2020 bekam die WSB von Heiterblick ein Funktionsmodell des ersten Wagenteils der neuen GT-F-Baureihe. Dabei handelte es sich um eine 1:1-Darstellung der neuen Bahnen in Größe und Raumverhältnis. Anhand dessen prüfte die WSB bzw. WVV in Absprache mit dem Hersteller genau, wie der Einstieg oder auch der Fahrerarbeitsplatz gestaltet werden.[23] Ursprünglich sollten die ersten Züge Anfang 2023 geliefert werden.[24] Dieser Zeitplan konnte jedoch nicht eingehalten werden. Das lag nicht nur an der Corona-Pandemie und dem Chipmangel. Hauptauslöser für die Verzögerung ist der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, denn der Stahl für die Bahnen wurde in der Ukraine bestellt. Durch die angespannte Liefersituation kam es beim Hersteller zu Lieferschwierigkeiten.[25] Im Januar 2023 hieß es, dass der erste GT-F voraussichtlich im ersten Halbjahr 2024 nach Würzburg kommen würde, was jedoch nicht der Fall war.[13] Erst am 17. Dezember 2024 traf der erste GT-F-Stadtbahnwagen per Tieflader in Würzburg ein. Am späten Abend wurde er zwischen Madrider Ring und Athener Ring auf die Gleise gesetzt. Ein GT-E schob die neue Bahn zum Betriebshof.[26]

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Bis man den GT-F bei Testfahrten zu Gesicht bekommt, wird es jedoch noch dauern. Zuvor muss die neue Straba für die speziellen Bedürfnisse in Würzburg eingerichtet werden. Danach wird die Inbetriebnahmegenehmigung durch die Technische Aufsichtsbehörde folgen. Erst dann kann der Testbetrieb starten.[26] Es ist geplant, den Fahrgastbetrieb im Herbst 2025 aufzunehmen.[27] Die neuen Fahrzeuge werden zuerst die verbliebenen GT-D (GTW-D8) ersetzen sowie nach und nach die GT-E-Stadtbahnwagen. Die GT-N-Flotte hat noch etwas Galgenfrist. Erst 2030 soll eine zweite Serie von Fahrzeugen bestellt werden.[28] Noch ist unklar, ob es zu einer Nachbestellung der gleichen Bauart kommen wird. Das hängt maßgeblich von der Zuverlässigkeit der GT-F ab und ob sich die Erwartungen, die man in diesen neuen Fahrzeugtyp setzt, erfüllen werden.

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GT-F Technische Zeichnung
Technische Daten: GT-F
Bezeichnung: Niederflurgelenktriebwagen GT-F
Bauart: 5-teiliger 100% Niederflur-Gelenktriebwagen mit 8 angetriebenen Achsen
Fahrzeugnummern: 215–232
Baujahre: ab 2023
Hersteller: Heiterblick Leipzig
Spurweite: 1000 mm
Höchstgeschwindigkeit: 70 km/h (z. Zt. auf 60 km/h begrenzt)
Achsfolge: Bo'+Bo+()+Bo+Bo' (1 schwebendes Mittelteil)
Fahrleitungsspannung: 750 V Gleichspannung
Fahrmotoren: Heiterblick: 8 x 100 kW (insgesamt 800 kW)
WVV: 8 x 95 kW (insgesamt 760 kW)
Leergewicht: Heiterblick: 49,4 t
WVV: ca. 51 t
Fußbodenhöhe Niederflurbereich: 310 mm / 360 mm
Fußbodenhöhe über den Drehgestellen: 555 mm / 660 mm
Platzangebot: Heiterblick: 76 Sitzplätze (+6 Klappsitze), 147 Stehplätze (4 Personen/m²)
WVV: 74 Sitzplätze (+6 Klappsitze), 140 Stehplätze (4 Personen/m²)
Länge / Breite / Höhe: 36.000 / 2.400 / 3.500 mm

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Quellenangaben

  1. „20 GT-N für die Würzburger Straßenbahn“, Stadtverkehr 09/1996, S. 20–23.
  2. „70 Kilometer schnell sauste der 42-Tonnen-Koloß den Berg hinauf“, Mainpost, 01.12.1989.
  3. „Würzburg: Schmal, selten, speziell“ in: „Die letzten Klassiker“, Straßenbahn Magazin 10/2012, S. 52–53.
  4. „Stadtrat beschließt: Neue Straßenbahnen für Würzburg“, Mainpost, 26.01.2018.
  5. „Neue Straßenbahnzüge“, Website der WVV, abgerufen am 27.02.2019.
  6. „Heiterblick > Unternehmen“, Website von Heiterblick, abgerufen am 12.03.2022.
  7. „Spezial-Fahrzeuge“, Regionalverkehr 04/2023, S. 40–43.
  8. „Würzburg: Neue Straßenbahnen sind bestellt“, Radio Gong News, 09.12.2019.
  9. „Bayern: Neue Straßenbahnzüge für Würzburg“, LOK-REPORT, News vom 12.12.2019.
  10. „Fahrzeugneubeschaffung für die Würzburger Straßenbahn“, Interessengemeinschaft Würzburger Straßenbahn e. V., 21.02.2021.
  11. „Würzburg: Erste neue Straßenbahn ist da“, Radio Gong, News vom 18.12.2024.
  12. Michael Levy: „Drei auf einen Streich: Brandenburg, Halle/Saale und Würzburg erhalten neue Straßenbahnen“, Urban Transport Magazine, 30.12.2024.
  13. „Neue Straßenbahnen“, Website der WVV, abgerufen am 31.03.2023.
  14. „GT-F Niederflurbahn“, GT-F Datenblatt, HeiterBlick – The Future of Mobility“, PDF von 2022 S. 4.
  15. „Neue Straßenbahnen für Würzburg“, Website der WVV, abgerufen am 23.12.2024.
  16. „Die Zukunft beginnt jetzt – Alle Infos zu den neuen Straßenbahnzügen GT-F für Würzburg auf einen Blick“, WVV Mobilität, 02/2025.
  17. IDZ Interview büro+staubach, https://idz.de/de/members/idz-mdm/mdm_2023_05_bs.html
  18. Website büro+staubach, https://buero-staubach.de/
  19. „Mobilität leicht gemacht: Alle wichtigen Tipps für die Nutzung der Rollstuhl-Rampen in Straßenbahnen“, Flyer von der WVV, 01/2020.
  20. Siehe Imagefilm zum GT-F, https://www.wuerzburger-strassenbahn.info/videos/xxx.mp4
  21. „Ein feiner Zug für Würzburg – unsere neue Stadtbahn“, LHB/Siemens, 12/1988.
  22. „Niederflurgelenktriebwagen GT-N für die Würzburger Straßenbahn GmbH“, Linke-Hofmann-Busch GmbH, 03/1995: 76 Sitzplätze, 131 Stehplätze (6,7 P/m²); entspricht bei 4 P/m²: 78 Stehplätze.
  23. „Prädikat ‚besonders wertvoll‘: Was die neuen Strabas so komfortabel für alle macht“, WVV Magazin 17.03.2021.
  24. „Neue Straßenbahnzüge“, WVV Website, abgerufen am 25.04.2019.
  25. „Würzburg: Krieg in der Ukraine verzögert Ankunft neuer Straßenbahnen“, Radio Gong Aktuelles, 23.05.2022.
  26. „Der erste GT-F ist da“ in: „Neue Straßenbahnen“, Website der WVV, abgerufen am 20.12.2024.
  27. „F wie Fast Forward: Die neuen Straßenbahnen GT-F stehen in den Startlöchern“, WVV Magazin, 14.11.2024.
  28. „Werden die Züge der Baureihe GT-N auch ausgetauscht?“ in: „Neue Straßenbahnen“, Website der WVV, abgerufen am 18.03.2025.
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